Dienstag, 28. Juni 2011

Facharbeit zur Alten Messe

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Gottesdienst" findet sich unter dem Titel "Ein Weg in die Zukunft?" der Beitrag einer Abiturientin, die ihre Facharbeit zum Thema "Die Messe im außerordentlichen Ritus" verfasst hat. Hierzu hat sie eine Befragung unter den Teilnehmern der Messe im außerordentlichen Ritus vorgenommen, die montags abends in der Pfarre St. Marien / Herzogenrath zelebriert wird und mit dem verantwortlichen Pfarrer, H.H. Dr. Guido Rodheudt, ein ausführliches Interview geführt.

Bemerkenswert ist das persönliche Resümee der Autorin. Positiv bemerkt sie:
Beim Besuch der Tridentinischen Messe habe ich die dort herrschende Still positiv empfunden. Ich hatte das Gefühl, vieles bewusster wahrzunehmen - auch die Beziehung zu Gott. Es gibt keine Ablenkung vom Wesentlichen in Form von Gesängen, Lesungen, Predigt(en) ohne geistliche Tiefe, wie sie in manchen Messfeiern in der erneuerten Form vorkommen. Die persönliche Beziehung zu Gott steht im Vordergrund. Der gleichförmige Ablauf der Messe lässt einen zur Ruhe kommen.
Hieran schließt sich aber auch Kritik an:
Auf der anderen Seite ist in der Tridentinischen Messe kaum Patz für Gemeinschaft. Die geheimnisvollen Riten und die lateinische Sprache betonen die Distanz zwischen dem, der die Zeremonie leitet, und den Gottesdienstbesuchern mit Gast- bzw. Zuschauerstatus. Durch die Stille und die lateinische Sprache bedeutet diese Messe für jeden Besucher etwas Anderes. Es gibt keine Botschaft, die sich an alle richtet, wie sie uns ansonsten oft in der Auslegung des Wortes Gottes oder - vielleicht manchmal zu viel - in Aktionen junger Menschen oder in Symbolen mitgegeben wird. Aber man kann fehlende Spiritualität und mangelnde Sakralität nicht mit fehlender Gemeinschaft und Verständlichkeit bekämpfen. Auch ist das Verbot von Ministrantinnen in meinen Augen nicht mehr angebracht.
Als Schlussfolgerung ergibt sich:
Als Weg in die Zukunft kann ich mir die Wiedereinführung der Tridentinischen Messe nicht vorstellen, wenn in der Kirche selbst tiefe Uneinigkeit über diese Form herrscht.
Und: Menschen, die man zum Glauben führen möchte und denen man die Botschaft Gottes und den "Schatz" der Messfeier vermitteln möchte, darf man nicht den Rücken zukehren und sie auf Distanz halten.
Zunächst ist es recht erfreulich, dass das offizielle Organ des Deutschen Liturgischen Instituts einen solchen "Erfahrungsbericht" überhaupt abdruckt. Offensichtlich scheint man die Alte Messe dort wieder als eine Option wahrzunehmen, mit der man sich auseinandersetzen muss - anstatt sie totzuschweigen.

Ferner ist es gut, wenn auch junge Menschen, die der Alten Messe sichtbar fern stehen, das Defizit an Spiritualität und Sakralität wahrnehmen und benennen, welches so viele "ordentliche" Gottesdienste prägt.

Und es ist ein Vorrecht der Jugend, Eindrücke auch einmal recht unvermittelt nebeneinander zu stellen und auszudrücken. Es verblüfft aber doch ein wenig, wenn ausdrücklich betont wird, dass die Beziehung zu Gott bewusster wahrgenommen wird und gleichzeitig behauptet wird, der Besucher habe nur Gast- bzw. Zuschauerstatus. Ist jemand nur Gast/Zuschauer, der seine Gottesbeziehung intensiver erlebt? Wird mir nicht das immer wieder als Begründung für liturgische Irrwege genannt, dass sie dazu dienen sollen, dass Menschen eine "Gotteserfahrung" machen können?

Mittwoch, 22. Juni 2011

Pro multis IV

Pro spe salutis hat unseren kleinen Dialog über das "Pro Multis" fortgeführt. Bevor ich darauf antworte, möchte ich eine Bemerkung vorausschicken: Es freut mich sehr, das Thema in dieser Weise auf einem guten theologischen Niveau verhandelt zu sehen. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit, gehört das "Pro Multis" doch zum klassischen Set einer traditionalistischen Überzeugung.

Einige Punkte habe ich inhaltlich dann doch noch:

  1. Mir ging es vor allem darum, dass man die Übersetzung "für alle" nicht als falsch oder illegitim bezeichnen kann ("es kann nicht "für alle" heissen, hatte Pro spe salutis formuliert). Wenn er das mit dem Halbsatz 'Meinethalben kann man auch "für alle' übersetzen" zurücknimmt, sind wir hier schon ganz nah beinander.
  2. Einem soeben (von Benedikt XVI. !!!) selig gesprochenen Papst häretische Tendenzen in allerzentralsten dogmatischen Fragen zu unterstellen, ist für mich gänzlich inakzeptabel. Hallo, wo sind wir hier eigentlich? Was würde das, ganz nebenbei, über den regierenden Hl. Vater sagen, wenn er einen (semi-)häretischen Vorgänger im Schnelldurchgang selig gesprochen hätte? 
  3. Mir ist der Unterschied zwischen der "objektiven" Seite der Erlösung und ihrer "subjektiven" durchaus bewusst. Das Interessante an dem von mir angeführten Römerbrief-Zitat ist ja, dass Paulus hier über die Gerechtsprechung/Rechtfertigung, also die "subjektive" Seite spricht und dennoch von "allen" spricht, resp. "alle" und "viele" synonym verwendet. Hatte der gute Apostelfürst am Ende auch "Allversöhnungstendenzen"? Man kann doch wirklich niemandem über den Weg trauen ... 
  4.  Der eigentliche Knackpunkt unserer Diskussion scheint mir das Wort "Angebot" zu sein. Jede Faser in mir sträubt sich, diesen marktwirtschaftlich versauten Terminus an dieser Stelle zu verwenden (Ist es nicht das große Krisenphänomen unserer Tage, dass die Kirche ständig "Angebote" machen will?). 
  5. Was geschieht im Abendmahlssaal? Christus nimmt seinen Opfertod vorweg, in dem die Liebe (das innere Wesen des dreifaltigen Gottes) über die Sünde siegt. Die überströmende, (menschlich) masslose Liebe des Sohnes zum Vater, aus der heraus er sich für dessen Geschöpfe opfert. Liebe bietet sich nicht an, Liebe überwältigt! Das ist die Grunderfahrung der Kirche, ihrer Heiligen, ihrer Mystiker: das Überwältig-Sein von der überströmenden Liebe Gottes, die sich in der endgültigen Liebestat Christi neu offenbart. 
  6. Diese Liebe Gottes war schon offenbar in seiner Schöpfung. Die innertrinitarische Liebe ist ja die "Weltformel", die ureigentliche Kraft des Universums. Wenn wir einmal nicht mehr "durch einen Spiegel schauen", werden wir das feststellen: dass die ganze Schöpfung im Großen und im Kleinen getragen, durchwaltet ist von der trinitarischen Liebe Gottes. Und dieses Liebe hat sich noch einmal überboten in der Menschwerdung und im Opfertod unseres Herrn und Heilands. 
  7. "Natürlich hat Christus die ganze Welt erlöst, ist sein Blut für alle Menschen geflossen" schreibt Pro spe salutis. Nein, nichts daran ist natürlich! Es ist Gnade, reinste Gnade, Ausfluss der alles und jeden überwältigenden Liebe Gottes zu Dir, zu mir und selbst zu Adolf Hitler.
  8. Es ist richtig, dass ich mich selbst immer wieder als jemanden erfahre, der sich von dieser überwältigenden Liebe nicht überwältigen lässt. Der kleingläubig und spiessig auf seinem Selbststand besteht, seine eigenen Prioritäten setzt, seinen Lüsten und Lüstchen frönt, usw. Diese Erfahrung stellt wirklich und in tödlicher Ernsthaftigkeit mein Heil in Frage. Aber sie steht nicht auf einer Ebene mit Gottes Liebe, das wird ihren endgültigen Sieg, den Durchbruch des Reiches Gottes in seiner Herrlichkeit nicht rückgängig machen.
  9. Schon gar nicht werde ich in dem Augenblick, in dem die Kirche in Gemeinschaft mit den himmlischen Heerscharen sich die Großtaten Gottes und die endgültige Liebestat Christi jubelnd vergegenwärtigt, nach links und rechts schauen und zufrieden feststellen, dass der Adolf (und so mancher andere) natürlich nicht dabei ist (hat halt das "Angebot" nicht angenommen, das Dummerchen - Danke, Herr, dass ich nicht bin wie dieser).
  10. "Denn es sind - leider - nicht 'alle', die sich dem Heil Gottes öffnen und hierdurch erlöst werden, wiewohl auch für sie das Blut Christi vergossen worden ist" - so Pro spe salutis. Ich weiss das nicht - ich weiss nur, dass ich selbst in Gefahr bin, nicht dabei zu sein. Und solange ich noch in der Gemeinschaft der Heiligen Eucharistie feiere, kann, darf und muss (!) ich auch für mich hoffen. 
Weil ich glaube, dass es sich so verhält, meine ich (mit dem seligen Johannes Paul), dass die Übersetzung "für alle" völlig legitim ist. Und bestätigt fühle ich mich vor allem durch die Tatsache, dass die Kirche in ihrer (vorkonziliaren) Liturgie am Gründonnerstag diesen Gedanken, dass Christus für alle Menschen ("omniumque") gestorben ist, als Einleitungstext für den "Einsetzungsbericht" gewählt hat. Wie anders sollte ich das verstehen, denn als Interpretations- und ggfs. Übersetzungshilfe für das "Pro Multis"? Es ist vielleicht kein Zufall, dass Pro spe salutis zu diesem Argument bisher nichts eingefallen ist ... 

Sonntag, 19. Juni 2011

Viele - Alle - und der Hl. Paulus

Ich werde noch einmal versuchen, den Kern meiner Stellungnahme zur Pro Multis-Diskussion unmittelbar aus der Hl. Schrift zu erläutern.

Der Hl. Paulus schreibt im Römerbrief, Kapitel 5 über den Zusammenhang von Sünde und Erlösung. In der Vulgata lauten die Verse 18 und 19:
igitur sicut per unius delictum in omnes homines in condemnationem sic et per unius iustitiam in omnes homines in iustificationem vitae
sicut enim per inoboedientiam unius hominis peccatores constituti sunt multi ita et per unius oboeditionem iusti constituentur multi.
In der deutschen Übersetzung:
Wie es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt.
Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden. 
Wie man unschwer sehen kann, verwendet der Hl. Paulus "omnes" und "multi" hier völlig synonym. Das ist es, was der selige Johannes Paul in seiner Stellungnahme zu unserer Frage als "typisch semitische  Ausdrucksweise" bezeichnet hat.

Man kann also nach wie vor der Meinung sein, die "wörtlichere" Übersetzung "für viele" sei im liturgischen Kontext angemessener - man kann nicht behaupten, dass es gegen die Übersetzung "für alle" irgendein stichhaltiges dogmatisches oder exegetisches Argument gäbe.

Pro Multis III

Nun hat auch Pro spe salutis sich in die kleine Diskussion über die Übersetzung des "Pro Multis" eingemischt und ich nehme den Ball gerne noch einmal auf (zumal es dazu schon Zustimmung in der Blogoezese gegeben hat).

Vorab eine kurze Erläuterung: Ich kann über dogmatische Fragen nicht ohne Herzblut schreiben, weil ich die mangelnde Bereitschaft, sich den eigenen Glauben wirklich von der Kirche schenken zu lassen und ihn nicht (mit wie frommen Absichten auch immer) selbst zu machen, für das Grundübel unserer Zeit halte. Wenn ich also im Folgenden auch einmal deutliche Worte gebrauche, sollte ganz klar sein, dass ich die "frommen Absichten" aller Menschen, die meines Erachtens falsche, weil nicht der Lehre der Kirche entsprechende Positionen vertreten, trotzdem achte und niemanden "ad hominem" treffen möchte.

Pro spe salutis vertritt die Meinung, dass die Übersetzung des "Pro multis" nicht "für alle" lauten kann. Mit dieser Stellungnahme widerspricht er unmittelbar dem päpstlichen Lehramt. Der selige Papst Johannes Paul II. formuliert in seinem Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 2005:
Es handelt sich um ein Opfer, das für »viele« hingegeben wird, wie der biblische Text (Mk 14, 24; Mt 26, 28; vgl. Jes 53, 11-12) in einer typisch semitischen Ausdrucksweise sagt. Während diese die große Schar bezeichnet, zu der das Heil gelangt, das der eine Christus gewirkt hat, schließt sie zugleich die Gesamtheit der Menschen ein, der es dargeboten wird: Es ist das Blut, »das für euch und für alle vergossen wird«, wie einige Übersetzungen legitim deutlich machen. Das Fleisch Christi ist in der Tat hingegeben »für das Leben der Welt« (Joh 6, 51; vgl. 1 Joh 2, 2).
Da mir keine neuere lehramtliche Stellungnahme zu dieser Frage bekannt ist, hat sich die Stellungnahme von Pro spe salutis bereits rein formal erledigt - es sei denn er wollte den lehramtlichen Text des gerade seliggsprochenen Papstes für irrig erklären (was ihm angesichts des Charakters dieses Schreibens bei ernsthaften Gewissensgründen freisteht). Er sollte sich dabei aber nicht auf das Schreiben von Kardinal Arinze berufen, in dem dieser den Bischöfen den Wunsch Benedikts XVI. mitteilt, die Gläubigen auf die Verwendung eines "für viele"-Äquivalents in zukünftigen Übersetzungen des Missale Romanum vorzubereiten. Denn in diesem Schreiben wird an keiner Stelle behauptet, dass die Übersetzung "für alle" nicht legitim wäre.

Wie gesagt: das ist eine formale Widerlegung. Auch inhaltlich kann man den Ausführungen von Pro spe salutis leider nicht zustimmen. Seine Argumentation lässt sich in etwa so zusammenfassen: Gott hält für alle Menschen das Heil bereit - dies hat auch Jesus verkündet. Die Heilige Messe ist aber mehr als nur Verkündigung dieses Heilswillens Gottes - in ihr manifestiert sich das Reich Gottes und daher ist es richtig, dass in der Hl. Messe auch nur diejenigen angesprochen werden, an denen sich diese Manifestation des Reiches Gottes vollzieht und die diesen Vollzug auch zulassen.

Der Gedankengang ist spekulativ - woraufhin Pro spe salutis auch hinweist (er bezieht sich auf die Mysterientheologie Odo Casels). Wie weit trägt nun diese Spekulation?

Zunächst befremdet in unserem Zusammenhang die Rede vom Heil, das Gott allen Menschen bereit hält.  Es geht bei den Wandlungsworten nicht um den Heilswillen Gottes, sondern darum, dass Jesus Christus am Kreuz unser Heil und das Heil aller Menschen gewirkt hat - Erlösung ist keine Möglichkeit mehr, sondern eine universale Realität ("denn durch Dein Heiliges Kreuz hat Du die Welt erlöst" beten wir im Kreuzweg). Unser Herr und Heiland hat in einem Akt unendlicher, überstömender Liebe sein heiliges Blut für uns (und alle Menschen) vergossen und damit ein für alle mal den Tod, die Folge der Sünde, überwunden. Damit macht er seine Ankündigung wahr: "Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen"(Joh 12, 32). Dieses Ereignis feiern wir in der Hl. Messe. Dass der einzelne Mensch dieses für ihn bereits gewirkte Heil in einer "sub specie aeternitatis" letztlich grotesken Selbstverneinung von sich stossen kann, steht an dieser Stelle auf einem ganz anderen Blatt und auch auf einer anderen Ebene.

Jesu Tod am Kreuz ist kein "Angebot", dem der Mensch sich - quasi auf Augenhöhe mit Gott - verweigern könnte. Das Blut zur Vergebung meiner (und aller Menschen) Sünden ist bereits vergossen! Auf diesen Tatbestand beziehen sich die Wandlungsworte. Und deshalb ist die Übersetzung "für alle" legitim und dogmatisch richtig.

Um es noch einmal auf die konkreten Überlegungen von Pro spe salutis zu beziehen: Das am Kreuz vergossene Blut ist für alle Menschen vergossen "zur Vergebung der Sünden" - daher richten sich die Wandlungsworte auch an alle Menschen (ja, natürlich auch an Hinz und Kunz) und nicht an eine Schar von Auserwählten.

Es bleiben die philologischen Argumente für eine "wörtlichere Übersetzung" - über die ich hier nicht sprechen möchte und auch nicht muss, da ich die Übersetzung "für viele" ja nicht für falsch, irrig oder illegitim halte.

Samstag, 18. Juni 2011

Pro Multis II

Nachdem Akatair in der Frage der Übersetzung des "Pro Multis" nachgelegt hat, auch von meiner Seite noch einige Überlegungen.

Den eigentlichen Sinn meines Einwandes hat Akatair leider ignoriert, da er weiterhin davon spricht, bei Matthäus und Markus heiße es original "viele" und nicht "alle". Der Clou meines Einwandes war, dass "im Original" eben weder das eine noch das andere deutsche Wort steht, sondern ein griechisches. Aufgabe der Übersetzung ist es dann, das sinngemäß richtige deutsche Wort zu wählen. Jeder Übersetzer sollte sich dieser Tatsache bewusst sein. Für die Übersetzung eines bestimmten Wortes oder einer Phrase in der Ausgangssprache stehen meist mehrere Worte oder Phrasen der Zielsprache zur Verfügung. Die Auswahl aus diesem "Sortiment" an Übersetzungsoptionen ist Aufgabe und Kunst des Übersetzers - und sie ist unumgehbar.

In der konkreten Frage des "Pro Multis" kann ich persönlich mit fast allen zur Diskussion stehenden Varianten leben - denn jede bedarf der Erläuterung. Ich will aber nicht leugnen, dass für die Übersetzung "für alle" aus meiner Sicht ein ganz wesentliches Argument spricht:

Das Missale Romanum von 1962 kennt nur für einen Tag im Jahr eine eigene Fassung des "Qui pridie", also des Gebetes mit dem die Wandlungsworte eingeleitet werden. Dieser Tag ist der Gründonnerstag, an dem das "Qui pridie" den Einschub enthält:
...,quam pro nostra omniumque salute pateretur, ...
Ist es nicht interessant, dass die Kirche (wohlgemerkt: die "vorkonziliare" Kirche!) just bei der Feier der Einsetzung des Altarsakramentes Wert darauf legt, die Reichweite des Erlösungswerkes Christi in dieser Weise zu betonen? Spricht nicht einiges dafür, diesen Einschub auch als Interpretationshilfe für die Übersetzung der Wandlungsworte sehr ernst zu nehmen?

Freitag, 17. Juni 2011

Übersetzen, Dolmetschen und das Pro Multis

Akatair hat einen interessanten Beitrag zum Thema "Pro Multis" gepostet. Seine Argumente leuchten mir allerdings nicht ganz ein. Ich finde die Behauptung schwierig, wir hätten hier ein "wortwörtliches Zitat" Jesu vor uns, denn es wird ja an verschiedenen Stellen unterschiedlich überliefert. Und auch die Aussage "er hat 'viele' gesagt", ist nicht richtig, da 'viele' ein deutsches Wort ist, das Jesus ganz sicher nicht verwendet hat. Das mag wie ein Kalauer klingen, aber in diesem einfachen Sachverhalt liegt ja die ganze Crux des Übersetzens begründet. Was ist eine "wortwörtliche" Übersetzung?

Mir ist an dieser Stelle eigentlich nur wichtig, dass die deutsche Übersetzung "für alle" sachlich richtig ist - und das ist sie meines Erachtens, denn auch die alte Liturgie lässt ja keinen Zweifel daran, dass Jesus sein Blut für die Erlösung aller Menschen vergossen hat.

Dienstag, 14. Juni 2011

Verschwörungen, Dossiers und das Spiel mit dem Feuer

Die Hintergründe des "vatikanischen" Dossiers über eine angebliche kirchenspalterische Verschwörung im Umfeld der Deutschen Bischofskonferenz haben sich mittlerweile ja weitgehend aufgeklärt (siehe Guido Horsts Blog). Viel Lärm um Nichts - könnte man jetzt sagen und die Sache ad acta legen.

Ganz so einfach scheint mir die Sache aber nicht zu sein, denn einige Dinge fallen doch unangenehm auf:

  1. Die ganze Verschwörungstheorie ist konstruiert und völlig überzogen. Jeder weiss, dass es in der deutschen Kirche Menschen gibt, die sich Veränderungen wünschen, die man im seinerzeitigen Kirchenvolksbegehren und zuletzt auch im Theologen-Memorandum nachlesen kann. Dass diese Menschen gelegentlich versuchen, sich Gehör zu verschaffen und das ein solches Thema dann auch einmal "konzentriert" gespielt wird, hat viel mit den Mechanismen unserer Mediengesellschaft zu tun, aber wenig mit einer "Verschwörung". Hierzu würde dann doch etwas mehr gehören.
  2. Der FOCUS-Artikel (ich kenne ihn bisher nur aus dem Bericht bei kath.net) ist erschreckend unbedarft. Wenn da ernsthaft behauptet wird, eine Mehrheit der deutschen Generalvikare sei bereit "Dogmen (!) über Bord zu werfen", sagt das nichts über die deutschen Generalvikare, aber sehr viel über die Unkenntnis des Verfassers bezüglich der Verhältnisse in der deutschen Kirche. Ebenso merkwürdig ist die Alternative zwischen einer "horizontalen" Kirche, in der auch Glaubenssätze Gegenstand von Mehrheitsentscheidungen werden können, und einer "vertikalen" Kirche, die "überlieferte Sakramente durch die Zeiten trägt". Sakramente werden meines Wissens gespendet und nicht "durch die Zeiten getragen" - und gibt es irgendeinen Anhaltspunkt, dass z.B. die "Memorandisti" eines der sieben Sakramente abschaffen wollen? 
  3. Wirklich bedenklich ist die Leichtigkeit, mit der hier (und leider auch bei Matthias Matussek) mit dem Feuer der Kirchenspaltung gespielt wird. Ich bin kein "Weichei", das Wortspiele aus dem Bereich der Kriegskunst per se für anstössig hält, aber passen recht schnoddrig hingeworfene Sprüche wie "geänderte Gefechtslage" und "die Schlachtreihen stehen" zum Pfingstfest? Ist das machtvollste Bild der Pfingstgeschichte nicht die Überwindung der babylonischen Sprachverwirrung und zeigt sich in dieser Überwindung der Heilige Geist nicht vor allem als Geist der Einheit? Kann jemand, der sich als "Traditions-Katholik" bezeichnet und zu dessen Unterscheidungsmerkmalen gegenüber den "Progressiven" es gehört, an die Heilsnotwendigkeit der Zugehörigkeit zur "una sancta catholica" zu glauben, launige Vorschläge machen, wie man Teile dieser Kirche an den Protestantismus abtritt? 
Die Spaltungen im Leib Christi sind ein Skandal und eine Wunde - für lustige Gedankenspiele taugen sie ganz sicher nicht ...

Montag, 13. Juni 2011

Die Messe und das Beten

In der Einleitung zu Romano Guardinis "Vom Geist der Liturgie" schreibt Ildefons Herwegen, der Abt von Maria Laach:
Die Kirche steht ruhig und sicher inmitten der argen Welt. Was gibt ihr die Kraft zum Stehen? Sie betet.
Die Welt liegt im Argen - damals (am Ende des 1. Weltkriegs), heute, immer schon und auch in Zukunft. Die Kirche steht innerhalb dieser Welt und wirkt in sie hinein durch Verkündigung, Zeugnis und tätige Nächstenliebe. Aber ihr eigentliches Wesen ist das Gebet, denn in diesem ist sie mit ihrem Ursprung und ihrer Kraftquelle verbunden. Noch einmal Ildefons Herwegen:
Das Gebet der Kirche stellt beständige Verbindung mit der Ewigkeit her.
Das Gebet ist dabei mehrstufig: es gibt das Gebet des Einzelnen, das "private Gebet" in Gemeinschaft (der ganze Bereich der Volksfrömmigkeit) und schließlich das eigentliche Gebet der Kirche, die Liturgie.   Auch dieses ist polyphon: Neben der Feier der Sakramente und ganz besonders der Messe steht das Stundengebet, das eben nicht "privates" Gebet ist, sondern geordneter, öffentlicher Kult der Kirche. Wenn das II. Vatikanische Konzil die Liturgie den Höhepunkt nennt, dem alles Tun der Kirche entgegenstrebt und zugleich die Quelle, aus der all' ihre Kraft strömt, dann ist damit nicht nur die Messe gemeint, sondern auch die Liturgia Horarum. Und es gehört zu den großen Verdiensten von "Sacrosanctum Concilium", das immerwährende, öffentliche Gebet der Kirche wieder zu einem Anliegen aller Getauften gemacht und es aus der Engführung einer Verpflichtung der Kleriker herausgeführt zu haben. Auch das freilich ist - wie so manches in diesem Konzilsdokument - ein weitgehend noch uneingelöstes Versprechen.

Das Gebet ist das Wesentliche der Kirche - dies ist der Grund, warum Sätze der Art "die Messe ist das Wesentliche" meinen Widerspruch hervorrufen. Weil sie selbst wieder eine Engführung sind. Damit ist nicht in Frage gestellt, dass die Messe innerhalb der Liturgie der Kirche eine besondere Stellung einnimmt. Aber auch das kann sie nur, wenn sie im Wesentlichen Gebet ist. Man könnte es so zuspitzen: Die Frage, ob eine Messe wahrhaft Gebet ist (Gebet des Priesters und Gebet der Gläubigen), entscheidet (jenseits des "ex opere operato") über ihren Wert. Und dieses Kriterium steht über allen anderen Aspekten, es gilt für die Alte und für die Neue Messe, für das Choral-Hochamt und für den NGL-Gottesdienst. Es allein auch macht sie "würdig". 


Ritenstreit - revisited

Ich habe eine ganze Weile darüber nachgedacht, ob ich mich mit den Rückmeldungen auf meine Kritik an Herrn Mosebach und dem hymnisch über ihn berichtenden Alexander Kissler (das war ja der Kern meines Beitrags zum "Ritenstreit") auseinandersetzen soll. Ich will mich auf zwei Bemerkungen beschränken:

Die von mir hochgeschätzte Elsa hat im Kommentarbereich sehr deutlich gemacht, dass sie jede Kritik an Alexander Kissler missbilligt. Da sie Herrn Kissler persönlich kennt, ist das aller Ehren wert. Lange gegrübelt habe ich allerdings über die Frage, warum sie in diesem Zusammenhang gleich zweimal darauf hinweist, Herr Kissler sei ein Mann von tadellosen Manieren. Mit der Sache hat das ja rein gar nichts zu tun Was wollte sie mir damit also sagen? Ich bin bei meinem Nachdenken zu keinem rechten Ergebnis gekommen - vielleicht erklärt mir das ja mal jemand ...

Laurentius Rhenanius hat der Sache einen umfangreichen Post gewidmet, der mit viel Herzblut geschrieben ist und dem ich an vielen Stellen zustimmen kann. Trotz seiner ausdrücklichen Warnung möchte ich aber doch mein Unverständnis bekunden. Dieses bezieht sich aber nicht - wie von ihm erwartet - auf "den einen oder anderen Spitzensatz" seines Beitrags, sondern auf die bekenntnishafte Selbstbeschreibung, mit dem er seine Leser (also auch mich) "schockieren" will.

"Reaktionär" ist eine politische Kategorie - was bedeutet sie im kirchlichen Kontext? Was hat das "Vatican Magazin" mit der "Jungen Freiheit" zu tun? Was die Jeans, die er in der Messe nicht trägt, mit der Mundkommunion, die er bevorzugt? Ich habe das "Vatican Magazin" abonniert und bevorzuge die Mundkommunion - muss ich jetzt auch die "Junge Freiheit" lesen und darf ich nicht mehr in Jeans zur Messe gehen um ein guter Katholik zu sein?

Fragen über Fragen ...

Weil ich den Eindruck habe, dass ein Gespräch über Liturgie auf einer anderen Ebene geführt werden sollte, werde ich in der nächsten Zeit versuchen, mit dem einen oder anderen Post ein solches Gespräch in Gang zu bringen.

Samstag, 11. Juni 2011

Reiseeindrücke aus Italien

Gestern in den Urlaub Richtung Kalabrien aufgebrochen. Für die Übernachtung hatten wir uns Arpino ausgesucht, eine der unendlich vielen Städte Italiens, die an einen oder mehrere Hügel gebaut sind. Ganz nebenbei ist der Ort (Arpinum) auch der Geburtsort Ciceros - was im Jahre 1799 für die Truppen Napoleons noch ein hinreichender Grund war, die Stadt nicht zu plündern.


Ganz im Unterschied zu den Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Diese liessen sich trotz entgegenstehender Beteuerungen von deutscher und italienischer Seite nicht von dem Gedanken abbringen, das Kloster Montecassino, die Wiege des abendländischen Mönchtums, sei ein militärischer Stützpunkt. Dies wiederum war für sie Grund genug, die Klosteranlage solange mit Bomben zu bepflastern, bis der Ausdruck "Ruine" für das Verbliebene fast ein Euphemismus war. Ganz neben bei wurden bei diesem Inferno auch ca. 300 im Kloster verbliebene Mönche und Flüchtlinge getötet.

In diesem Fall war es der Umsicht eines deutschen Kommandanten zu danken, dass bereits zuvor wesentliche Kunstschätze des Klosters (einschließlich der Bibliothek) sowie die sterblichen Überreste des "Vaters Europas" nach Rom in Sicherheit gebracht worden waren. Da bei dieser Rettungsaktion auch an die originalen Baupläne der Klosteranlage gedacht worden war, konnte sie nach dem Krieg weitestgehend authentisch wieder aufgebaut werden:



(Pardon mal prophylaktisch für die Qualität von Bild und Text - mehr war mit der Handykamera nicht machbar und der Text entsteht auf dem Beifahrersitz mit dem Notebook auf den Knien ;-)

Donnerstag, 9. Juni 2011

Karl Rahner und der Zölibat

Scipio hat einen sehr schönen Text von Karl Rahner gepostet. Ich möchte mich dafür mit einem weiteren Rahner-Zitat revanchieren. Es steht in einem "Offenen Brief an einen Mitbruder" aus den späten 60er Jahren:
Auch mich quält bis zur Verzweiflung die Lebensnot vieler Priester, aber sie kann mich darum allein nicht von meiner letzten Haltung abbringen, eben weil sie zum Leben gehört. Das Leben ist eine unbegreifliche Sache; fast jeder Beruf wird zur harten Pflicht, tapfer in der Routine des Alltags auszuhalten; alles wird unaufhaltsam vom Staub des Alltags bedeckt; Ehen veröden oder endigen im Ehebruch; man hat Krebs; man stirbt - bis zum elenden Tod in den Drecklöchern Vietnams. 
Und da kommen die Anwälte für eine Freigabe des Zölibats und tun so, als ob diese die Tore des Paradieses öffnen würde für die armen Geistlichen, die nur von einem antiquierten Kirchengesetz widernatürlich an ihrem Glück und an der Entfaltung ihrer "Persönlichkeit" gehindert werden. Welche Simplifizierung! Natürlich gibt es genügend Kleriker, die aus dem Zölibat Lieblosigkeit, Philistertum, Egoismus und weiß Gott welche anderen Laster machen, die viel schlimmer sind oder sein können als alle bittere Lust des " Fleisches", mit der sich ein im Grunde Verzweifelter ein wenig zu trösten versucht. Aber was beweist das? Sind nicht alle wirklich großen Dinge selten, immer die noch unerfüllte Aufgabe? Ist es in der Ehe anders? Müssen wir nicht, so gerecht gemessen werden soll, einen in der Kraft der Entscheidung aus Gnade geglückten Zölibat mit einer geglückten Ehe vergleichen und eine alltäglich gewordene Ehe, die in eintöniger Ode versandet, mit dem Zölibat, wie er nur zu oft gelebt wird? Woher weiß einer so ganz sicher, dass ein Priester in der Ehe mehr an Menschlichkeit fertig brächte, wenn er in seinem Zölibat versagt? 
Wie mir das ständige Geschrei nach "Glück" zuwider ist, dieses Sichselbstbemitleiden, die kurzsichtige Meinung, es gäbe hier in dieser Welt ein anderes "Glück" als innerhalb der gelassenen Geduld darüber, dass jede Symphonie unvollendet bleibt! Auch und gerade die "glückliche" Ehe ruht auf den gegenseitig verschwiegenen Fundamenten der Einsamkeit und des Verzichtes. Wer seinen Zölibat zur Tat der selbstlosen Liebe macht - und das ist in Gottes erlösender Gnade möglich -, der ist ebenso glücklich, wie man es in der Ehe sein kann, der findet jene "vollkommene Freude", die der hat, der gelassen zu weinen versteht.
Allen Memorandisti zur Meditation ganz herzlich empfohlen ...

Freitag, 3. Juni 2011

Martin Mosebach und die theologische Bildung

Der Kommentar von Tiberius zu meinem vorherigen Posting hat mich veranlasst, den Beitrag von Alexander Kissler noch einmal sehr sorgfältig zu lesen. Meine Verärgerung über die pauschale Verurteilung "engagierter Laien" als "halbgebildet" ist dadurch eher gewachsen, denn es handelt sich um einen klassischen Fall von "Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen". Wobei sich meine Kritik nicht gegen Kissler, sondern die von ihm berichteten Aussagen von Martin Mosebach richtet.
Das aber, beschied der Dichter den Diskutanten, sei ein Zerrbild des 19. Jahrhunderts. Im Kult, nicht in der Gemeinschaft werde Christus gegenwärtig.
Christus ist nicht im "Kult" real gegenwärtig, sondern im Sakrament. Es gibt keinen Grund, diese sakramentale Gegenwart gegen die allgemeine Zusage seiner bleibenden Gegenwart in der Kirche ("Wo zwei oder drei ...") auszuspielen - weder von der einen, noch von der anderen Seite.
Die Messe sei keine Vergegenwärtigung des Abendmahls, sondern „Phase“, Vorübergang Gottes. Die erste Messe überhaupt habe nicht im Abendmahlssaal, sondern auf Golgatha stattgefunden. 
Nach der Lehre des Konzils von Trient wird das Kreuzesopfer Christi im Meßopfer "sakramental dargestellt, das Gedächtnis desselben begangen und die Heilskraft desselbe zugewendet". Auf diese dreifache Weise ist das Meßopfer auf das Kreuzesopfer (die eine und einzige, nicht wiederholbare Erlösungstat!) bezogen. Das Kreuzesopfer selbst als "Messe" zu bezeichnen, ist im wahrsten Sinne des Wortes "Unsinn".

Auch die Zuspitzung der Bedeutung der Messe ist letztlich ein theologisch ungedeckter Scheck. Ist nicht die Taufe das einzig absolut heilsnotwenige Sakrament? Wird aus der Eucharistie ohne das Bußsakrament nicht ein Fluch, mit dem wir uns das Gericht essen und trinken? Wenn man die Frage "Was ist das Wichtigste?" schon stellen will, dann wird die Antwort wohl lauten: Das Wichtigste in der Kirche ist der Herr selbst, dem wir für seine Heilstaten feiernd danken (Liturgia), für dessen Herrschaft wir mit unserem Leben Zeugnis geben (Martyria) und dessen Liebe wir anderen zuwenden (Diakonia).

Theologische Bildung besteht darin, sich den überlieferten Glauben der Kirche wirklich anzueignen - ein mühsames Unterfangen, das durch guten Willen (und sei er noch so traditionalistisch) nicht wettzumachen ist. Ihn durch mehr oder weniger gut klingende eigene Sentenzen zu ersetzen, nennt man klassischerweise "Modernismus" ...

Donnerstag, 2. Juni 2011

Ritenstreit unter Vollgebildeten?

Der von Alipius konstatierte Ritenstreit - mit den Beiträgen von Columbulus, Gregorius Braun und Elsa - kann sehr gut als Demonstration zu meinem vorhergehenden Post dienen. Vor allem dann, wenn man noch Alexander Kisslers Bericht über den Mosebach-Auftritt in Weilheim hinzunimmt, den Elsa zitiert.

Gemeinhin ist der engagierte Laie ein halbgebildeter Institutionenkritiker, dessen Engagement den Herrschaftsbereich des Politischen in die Kirche hinein ausdehnen und also vollenden will. Der engagierte Laie will in der Regel mehr vom Selben, die Welt noch einmal. Das Gegenteil will Martin Mosebach: Konzentration statt Diffusion, Sakrament statt Politik, Hierarchie statt Pluralismus.
Der "engagierte Laie" tritt hier als Feindbild auf - und natürlich ist er halbgebildet. In der Realität ist der "engagierte Laie" (von einer bestimmten Sorte Menschen abgesehen - die kenne ich auch) ein katholischer Christenmensch, der auf die eine oder andere Weise versucht, in einer Pfarrgemeinde mitzuhelfen, dass "der Laden läuft". Und das ist eine ganze Menge. Viele dieser Leute schauen sicher gerne zu (und ich schließe mich da an), wie Alexander Kissler und Martin Mosebach (ich schätze beide sehr) in ihrer Pfarrgemeinde mal "vollgebildet" die Erstkommunionvorbereitung übernehmen. Oder den Besuchsdienst im Altersheim. Bestimmt wendet sich dann prompt alles zum Guten.

Ist diese Breite des katholischen Alltags die böse "Difussion", der Kissler/Mosebach die "Konzentration auf die Messe" entgegensetzen? Ich für mein Teil möchte nicht in einer Kirche leben, in der in dieser Weise "nur" noch die Messe gefeiert wird ...

Die Blogoezese und der Dialogprozess

Ein Beitrag von Peter Winnemöller über den Dialogprozess hat mich ins Grübeln gebracht, weil ich ihn zwar verstehen, seiner Betrachtungsweise aber nicht folgen kann.

Mal ganz frei von der Leber: ich bin ein "Fan" des Dialogprozesses, genauer gesagt, der Idee eines solchen Prozesses. Das liegt daran, dass ich eines der größten Probleme unserer Kirche darin sehe, dass es in ihr einen Graben gibt, über den hinweg kein wirkliches Gespräch mehr stattfindet.

Auf der einen Seite des Grabens stehen jene, die seit den 70er Jahren auf "Fortschritt" programmiert sind. Der Inhalt dieses Fortschrittsgedankens ist oft sehr schwammig, vielleicht lässt er sich am ehesten auf die Formel bringen "auf die Menschen zugehen". Das ist per se nichts Schlechtes - wie sollte Verkündigung und Evangelisierung anders funktionieren? Viele Menschen (gerade auch Priester), die sich diesem Fortschrittsgedanken verschrieben haben, scheinen immer wieder die Erfahrung gemacht zu haben, dass viele Elemente der Tradition der Kirche (Glaubensaussagen, moralische Normen, Ausdrucksformen in Liturgie und Frömmigkeitslieben) für den heutigen Menschen sperrig, d.h. hinderlich sind. Deswegen neigen sie dazu, diese Elemente als Hindernis zu sehen und möglichst "wegzulassen", um den eigentlichen Kern der kirchlichen Botschaft möglichst vielen Menschen vermitteln zu können. Die "Hüter der Tradition" (am greifbarsten in "Rom") sind daher aus dieser Sicht der wesentliche Grund, warum die Kirche keine "Erfolgsstory" ist.

Auf der anderen Seite des Grabens stehen die Anhänger der "Tradition". Sie sehen die Arbeit der "Fortschritts"-Kirche als permanente Preisgabe wertvollster Güter. Mit scheinbar besten Gründen verweisen sie auf den Misserfolg des Aggiornamento-Programms der "Konzilskirche". Nichts, aber auch gar nichts ist besser geworden: die Kirchen werden immer leerer, die Glaubensweitergabe funktioniert nicht mehr, die Berufungen versiegen und das gesellschaftliche Gewicht der Kirche geht gegen Null. Das Rezept ergibt sich daraus mit bestechender Klarheit: die Uhr zurückdrehen auf einen Punkt, bevor dieser ganze Fortschritts-Wahn begonnen hat. Wenn man das täte, wäre die Kirche wieder eine "Erfolgsstory".

Ich fürchte, dass beide Seiten irren. Auch ohne die Hindernisse aus "Rom" würden die durchschnittliche Pfarrgemeinde 95% der Kommunionkinder und Firmlinge nicht als dauerhafte Gemeindemitglieder gewinnen können. Und gleichzeitig wird auch die Alte Messe in der Regel vor einer überschaubaren Anzahl an Mitfeiernden gelesen - und dies liegt nicht an der Obstruktion durch die bösen deutschen Bischöfe.

Auf beiden Seiten des Grabens sollte man sich eingestehen, dass die Zeichen der Zeit für die Kirche nicht auf "Erfolgsstory" stehen. Vor allem aber sollte man ein Gefühl dafür bewahrt haben, dass der von mir beschriebene Graben Teil der auf allen Seiten beschworenen Krise der Kirche ist. Wie soll die Kirche zur Welt sprechen, wenn in ihr selbst nicht miteinander gesprochen werden kann? Wie soll in kritischen Zeiten Verkündigung gelingen, wenn man nicht einmal in der Lage ist, die Kräfte zu bündeln?

Deshalb bin ich "Fan" eines Dialogprozesses. Und ich finde, dass die Blogoezese eigentlich der ideal Ort sein müsste, diesen Dialog zu führen.

Wer macht mit?

Mittwoch, 1. Juni 2011

ZdK - Nein Danke!

Aus einem Interview mit Alois Glück zum Dialogprozess:

KNA: Lässt sich abschätzen, wo es zu konkreten Ergebnissen kommt? 

Glück: Nein. Wenn vorher schon feststünde, was am Ende rauskommen muss, würden wir das verfehlen, was Dialog meint, nämlich das beiderseitige Offensein, einander zuzuhören und bereit zu sein, sich auch selbst zu verändern. Das gilt für alle Beteiligten, nicht nur für die Amtsträger. Ich sehe durchaus Handlungsspielräume innerhalb des geltenden Kirchenrechts. Da wird sicher einiges in Gang kommen, auch wenn manche Bischöfe noch besorgt abwarten. Wir brauchen erste Ergebnisse in ein bis zwei Jahren. Zumindest muss spürbar werden, dass es ein konstruktiver Prozess ist, sonst wird sich schnell Enttäuschung und Resignation breitmachen. 

"Alles ist ergebnisoffen - rechtliche Spielräume sind auszunutzen - erste Ergebnisse dann und dann - sonst Enttäuschung und Resignation" ...

Sorry, das ist kein Dialog, das ist Sch...-Politik!

You are not my president, Mr. Glueck!

Der Papst und ... Theodor

Da ich davon ausgehen muss, dass das Erzbistum Freiburg mich nicht um einen Beitrag zur Reihe "Der Papst und ich" bitten wird (siehe hier), mir die Idee aber sehr gut gefällt, schreite ich hier einfach mal ganz unaufgefordert zur Tat:

Mitte/Ende der Neunziger Jahre, Regensburg, Studentenwohnheim der Passionisten

Im Rahmen der Arbeit an meiner Dissertation hätte ich zu gerne einmal mit Kardinal Ratzinger gesprochen - aber wie? Ein guter Freund gibt mir den entscheidenden Tipp: der Präfekt der Glaubenskongregation verbringt seinen Urlaub im Haus seiner Eltern bei Regensburg und liest in dieser Zeit jeden Morgen die Messe in der Kapelle eines in der Nähe gelegenen Studentenwohnheims. Anschließend bleibt er dort zum Frühstück und wenn man den Pater Heimleiter nett fragt, dann ... Ein kurzer Anruf - und einige Wochen später nehme ich morgens an besagter Messe teil, die denkbar schlicht und 100% "konziliar" abläuft: 2. Hochgebet, der Heimleiter konzelebriert. Bei der Kommunion dann ein fast traumatisches Erlebnis: der Präfekt drückt mir die Hostie routiniert in die eigentlich geschlossenen Hände und ich bin so verdattert, dass ich mich nicht wehren kann - die erste und einzige Handkommunion seit vielen Jahren (und bis heute).

Anschließend Frühstück unter zunächst sechs, dann vier Augen. Nachdem ich meine wissenschaftlichen Fragen besprochen habe, unterhalten wir uns über dieses und jenes. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass der Kardinal aus dem fernen Rom die deutsche akademische Landschaft bis ins dritte Glied kennt: Namen, Veröffentlichungen, Karriereschritte - Kürschners Deutscher Gelehrtenkalender ist nichts dagegen! Über einen Professor der Münchner Theologischen Fakultät erkundigt er sich ziemlich ausführlich - einige Jahre später wird er Bischof von Regensburg. Ein Satz zur Kirchenpolitik ist mir in Erinnerung geblieben: "Ach ja, München. Wissen Sie, wir sind ja schon froh, wenn unsere Briefe den Hochwürdigsten Herrn Kardinal überhaupt persönlich erreichen ..." - uups!

Mein Gesamteindruck: ein bescheidener, zurückhaltender, fast schüchterner Mann, der mit dem landläufigen Zerrbild des Großinquisitors rein gar nichts zu tun hat. Besonders angenehm ist der feine Humor, der nur ganz gelegentlich einen leichten Zug ins Spöttische hat.

Ein Jahr später wiederholt sich das Ganze. Ein schönes Gefühl: same procedure as last year - nur bei der Kommunion bin ich diesmal auf der Hut ;-)

19. April 2005, Dortmund, ein Hotelzimmer

Nach gewissen Anzeichen im Autoradio schalte ich im Hotel sofort den Fernseher ein und komme gerade rechtzeitig:
Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum Josephum (Gänsehaut - kann das sein???), Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Ratzzzinger (Wahnsinn!), qui sibi nomen imposuit Benedictum XVI. (geht im Jubel unter)
Nach einigen Stunden weicht die "Wir sind Papst"-Begeisterung (und auch das eitle "Ich habe mit dem Papst gefrühstückt"-Gefühl) einer gewissen Nachdenklichkeit. Sein Vorgänger (MEIN Papst Johannes Paul) hat riesengroße Schuhe zurückgelassen - wie wird Benedikt XVI. darin wohl laufen können? Wie werden vor allem jüngere Menschen mit dem Kontrast umgehen können; hier der charismatische Karol Wojtila, der mit dem Amt und seinen Insignien so souverän, ja fast lässig umgegangen ist - und dort nun der schüchterne, fast etwas linkisch wirkende Professor aus Deutschland. Schon wenige Tage später bei der Amtseinführung die erste "Entwarnung" - auch dieser Papst weiss, wie man das Herz der Menschen erreicht: "Habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts und er gibt alles." Spätestens beim Weltjugendtag in Köln wird es dann ganz deutlich; Benedikt XVI. hat seine ganz eigene Art, gerade auch die jungen Menschen anzusprechen.

10. September 2006, München-Riem

Wir sind mitten in der Nacht aufgestanden, auf langen Wegen zum alten Flughafengelände gelaufen, stehen nun in der Menschenmenge und warten auf die Ankunft des Papstes. Als das weiße Papamobil vorbeifährt, bin ich sehr berührt - dem Gefühl, dass der Mann in der weißen Soutane "einer von uns" ist, kann man sich nur schwer entziehen. Nur das "Benedetto"-Geschrei der Ministrantengruppe neben uns geht mir ein wenig auf die Nerven - zumal die Jungs dann später während der Messe ziemlich unbeteiligt ihre Wurstbrote vertilgen. Der "Papst aus Bayern" hat in den knapp eineinhalb Jahren seit seiner Wahl seinen eigenen Stil entwickelt; vieles zwei Nummern kleiner als bei seinem Vorgänger - aber echt. Ich kann gut damit leben.

Das Pontifikat von Josef Ratzinger war und ist mit vielen Erwartungen verbunden - gerade bei traditionsverbundenen Katholiken, gerade in Deutschland. Das galt und gilt auch für mich. Und so habe ich in den ersten Jahren die eine oder andere "Maßnahme" und "Klärung" erhofft und war ein wenig enttäuscht, wenn sich "nichts getan hat". Es hat ein wenig gedauert, bis mir klar geworden ist, dass Benedikt XVI. trotz seines fortgeschrittenen Alters in vielem "auf Zeit spielt". Er will überzeugen und das geht nun einmal nicht mit der Brechstange.

Mittlerweile bin ich einfach nur froh und glücklich, dass im Vatikan ein so bescheidener und kluger Mann regiert, der weise genug ist, die Welt und die Kirche nicht im Hauruck-Verfahren ändern zu wollen. Der sich seine Kräfte einteilt und alles, was darüber hinaus liegt, dem Herrgott überlässt. Der, wo er geht und steht, das Evangelium auslegt, weil nur aus der Erneuerung des Glaubens eine neue Lebendigkeit der Kirche entstehen kann. Und so lässt sich das Verhältnis "Der Papst und Theodor" auf eine einfache Formel bringen:

Ad multos annos, Papa Benedetto!

Ist das denn wirklich so schwer ???

Bei Elsa bin ich auf den Beitrag von Bruder Paulus Terwitte aus der Reihe "Der Papst und ich" gestossen - und habe mich gleich ordentlich geärgert. Nichts als Nebelbomben von der ersten bis zur letzten Zeile.
Natürlich ist das Amt wichtig: Der Bischof von Rom ist Diener der Einheit. Doch liegt die Leitung der Kirche in den Händen des Heiligen Geistes. 
Bringen wir die Versatzstücke doch einmal in die richtige Reihenfolge: Der Bischof von Rom dient der Einheit der Kirche, indem er sie leitet. Bei der gewissenhaften Ausübung dieses Amtes kann er sich des Beistands des Heiligen Geistes gewiss sein. Verstanden? Na also, geht doch ...
Katholisch und Heiliger Geist gehören im Glaubensbekenntnis und also in meinem katholischen Glauben zusammen. Vom Papst schweigt das Credo. Und das ist gut so. 
Auf ein Neues: Auf die Aussagen über den Heiligen Geist folgt im Credo das Bekenntnis zur Kirche: Et unuam, sanctam, catholicam et apostolicam ecclesiam. Deren allumfassende Einheit ist gebunden an ihr apostolisches Fundament. Apostolisch kommt von Apostel, deren primus inter pares der erste Bischof von Rom ist und mit ihm und in ihm seine Nachfolger. SO spricht das Credo vom Papst. Ach ja, fast hätte ich's vergessen: Mit Kläuschen Pobereit hat das alles gar nichts zu tun ...
Die Enzykliken und seine beiden Bücher zeugen von dem hellen Geist, der immerhin deutscher Theologentradition folgt.
Da muss jetzt aber wirklich eine Verwechslung vorliegen. Das wäre mir bestimmt aufgefallen, wenn der Hl. Vater in dem stehen würde, was Leute wie Bruder Paulus unter "deutscher Theologentradition" zu verstehen pflegen. Obwohl, wenn ich so nachdenke: Einen deutschen Theologen dieser Machart erkennt man in der Regel daran, dass er in dem Bewusstsein lebt, unfehlbar zu sein ...

Es war heute ungewöhnlich heiß in Tallinn ...

und da fiel mir ein Spruch ein, dann ein Name und schließlich der Film; deshalb: